Aus dem zweiten Jahr

Mein Name ist Robert Weisemann und ich befinde mich zurzeit im zweiten Jahr
meines Freiwilligendienstes im heilpädagogischen Heim Beit Uri im Norden Israels.

Bereits nach der Hälfte meines Auslandsjahres 2017/18 stellte ich fest, eine besondere Verbindung zu meiner Einsatzstelle, zu Land und Leuten gefunden zu haben und setzte mich mit dem TAMLI e.V. – zu dieser Zeit hatte ich noch einen anderen Träger – in Verbindung, um diese Erfahrung um ein weiteres Jahr zu verlängern und intensivieren zu können.

In diesem Zwischenbericht möchte ich sowohl von meinen persönlichen Erfahrungen in Bezug auf meinen Freiwilligendienst als auch über die Unterschiede zu meinem ersten Jahr in Israel berichten – und vielleicht auch den ein oder anderen zu einer Verlängerung des Freiwilligenverhältnisses anregen.

Das Heim – Beit Uri

Beit Uri (zu Deutsch: Uris Haus) ist ein Heim für rund einhundert geistig schwerbehinderte Menschen im Alter von 6 bis 60 Jahren und befindet sich auf dem Givat HaMoreh, in unmittelbarer Nähe zur 40.000-Einwohner-Stadt Afula, in Nordisrael.
Das Heim wurde 1969 von Dvora Schick gegründet, einer Shoah-Überlebenden, die der Einrichtung den Namen ihres verstorbenen, geistig behinderten Sohnes Uri gab, mit dem sie aus Deutschland nach Palästina geflohen war.

Ausblick von der Wohnung der Freiwilligen mit Himmel und Wolken (2019)

Die Einrichtung gliedert sich in 5 Häuser für erwachsene Member Beit Uris, zwei Kinderhäuser, ein Haus für externe Kinder zur Tagesbetreuung und zwei Außenwohngruppen auf. Ein weiteres Gebäude befindet sich momentan im Bau und soll voraussichtlich im August in Betrieb genommen werden. (Das Haus wurde mittlerweile eröffnet.)

Tagsüber arbeiten die Member speziell nach ihren Fähigkeiten zugeteilt in einem der Workshops oder besuchen eine der vielen Schulklassen Beit Uris. Die Arbeit erstreckt  sich  von  handgemachten  Waren  wie  Kerzen,  Keramik  und  Körben, körperlicher Arbeit  in  Garten  und  Hof  bis  hin  zur  Unterstützung  der  täglichen Essenszubereitung. Weiterhin werden in der Schreinerei unter anderem Möbel für den Eigenbedarf hergestellt.

Die Volontärsarbeit dient dazu, die Belegschaft in Workshops und Häusern zu unterstützen und insbesondere den Membern Beit Uris in der Bewältigung ihres Alltag zu helfen – und „frischen Wind“ und Enthusiasmus in die Einrichtung zu bringen.

Zur meiner persönlichen Erfahrung

Nachdem ich mich im ersten Jahr im Hofworkshop um die Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung der Einrichtung gekümmert hatte, wechselte ich im zweiten Jahr zur Schreinerei, um durch die Arbeit neue Fertigkeiten und Member kennenzulernen (und in der Hoffnung, mein Hebräisch noch etwas zu verbessern).
Auch wechselte ich von Beit Zfoni (dem nördlichen Haus) zum Beit Maravi (dem westlichen Haus), um so viel wie möglich von der Arbeit in den Häusern des Heimes sehen zu können.

Robert mit Yehuda (Workshopleiter) im Holz-Workshop

Tatsächlich hatte ich am Anfang des zweiten Jahres sowohl im Haus als auch im Workshop das Gefühl, wieder als neuer Volontär anzufangen, auch wenn zum Beispiel die Kommunikation – durch die bereits vorhandenen Hebräischkenntnisse und das Vertrauen der meisten Member und Worker – eine wesentlich bessere war als zum Anfang des ersten Jahres. Es dauerte dennoch einige Monate, bis ich wirklich ein akzeptierter Bestandteil beider Gruppen wurde und mich in meiner Arbeit sicher fühlte. Wie im Jahr zuvor besuche ich zweimal in der Woche die Proben des heimeigenen Chors und Orchesters; neu dazu gekommen sind zwei Proben der „Chug Drama“ genannten Theatergruppe, bei welcher Member und Mitarbeiter zusammen Theaterstücke ausarbeiten und zu besonderen Gelegenheiten aufführen. Weiterhin helfe ich regelmäßig in der „Pinat Chai“ aus, pflege und füttere also die Therapietiere der Einrichtung.

Theaterausführung in Beit Uri
Robert mit einem Therapietier

Das Kennenlernen und Bestandteil einer neuen Gruppe von Volontären zu werden war eine spannende Angelegenheit, vor allem wenn es sich um eine mehr als doppelt so große Gruppe handelt als im ersten Jahr. Das Vertrauen, das mir als Volontärs-„Veteran“ entgegengebracht wurde hat mich sehr in meiner Arbeit bestätigt und den anderen Volontären Sicherheit und Gelassenheit  gegeben. Es ist ein gutes  Gefühl, wenn Menschen zu einem kommen, um nach Rat und Meinung zu fragen und man einfach nur aus seiner Erfahrung heraus helfen kann.

Gruppenbild der verkleideten Freiwilligen während dem jüdischen Feiertag Purim

Weiterhin habe ich dieses Jahr versucht, meine geographischen Kenntnisse über Israel zu erweitern. Ich war sowohl im Roten Meer baden (Eilat) als auch in einem Wasserloch in der Nähe des Grabes von Ben Gurion. Die Wüste zählt weiterhin zu einem meiner liebsten Ausflugsziele, um manchmal etwas Abstand von der Zivilisation nehmen aber vor allem um nachts Sterne gucken zu können.

Robert in der israelischen Wüste

Zu meinen persönlichen Erfolgen kann ich dieses Jahr die Teilnahme am Jerusalem-Marathon (5km) und „Volcano Run“ in den Golanhöhen (15km) zählen. Auch werde ich den Massada-Halbmarathon Ende Juni laufen.

Startpunkt eines Halbmarathons mit einer Ansammlung von Läufern

Die unschönste Erfahrung des Jahres ist sicherlich das Erleben des Raketenbeschusses aus Gaza auf die Stadt Ashkelon, wo ich mit meinem Vater Anfang Mai Urlaub machte. Ich bin den Israelis aus meiner näheren Umgebung sehr dankbar, mit ihnen über diese Ereignisse gesprochen haben zu können.
Der Besuch des dreitägigen Menashe Forest Festivals in Megiddo zählte wiederum zu einem der Highlights des Jahres, das mit seinen vielen Livebands und lockeren Stimmung eine schöne Abwechslung zum Arbeitsalltag in Beit Uri darstellte.

Bühne mit Band und Zuschauern auf dem Menashe Forest Festival

Auch drehte ich im Frühling 2019 im Zusammenarbeit mit dem israelischen Wohlfahrtsministerium einen Werbefilm in Beit Uri, um bei jungen Menschen im Ausland Interesse für ein soziales Volontariat in Israel zu wecken. Auf das Ergebnis bin ich sehr gespannt! (Inzwischen gibt es das Ergebnis zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=FymBoPlm178)

Zukunftspläne

Im Gegensatz zu meinem ersten Jahr konnte ich mir endlich klare Gedanken zu meiner Zukunftsgestaltung nach dem Volontariat machen. Durch meine Arbeit in Beit Uri und durch Gespräche mit meinem Workshop-Leiter habe ich mich dazu entschieden, mich in Deutschland für ein Heilpädagogikstudium zu bewerben. Aber ich denke auch dass das Kapitel Israel nicht mit dem Freiwilligendienst enden wird. Ich habe in diesem zweiten Jahr meine Kontakte in Israel noch weiter ausgebaut, neue Freundschaften geschlossen und mal sehen, was erst noch auf mich zukommt.

Alles in allem möchte ich jedem, der das erste Jahr des Volontariats zur Studienfindung nutzen wollte, aber keinen Erfolg hatte, ein weiteres Jahr herzlich empfehlen.

Robert Weisemann

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Abschied und Rückkehr